Conrad Ferdinand Meyer: Der römische Brunne

Rubrik im giornale poetico
Ein Klassiker und zugleich eines der berühmtesten Dinggedichte ist „Der römische Brunnen“ aus dem Jahre 1882 von Conrad Ferdinand Meyer:

 

Der römische Brunnen

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

Meyer, Conrad Ferdinand: Der römische Brunnen (1882). In: Ders.: Sämtliche Gedichte, Nachw. von Sjaak Onderdelinden, Stuttgart: Reclam 1978; Vgl. auch Dietrich Bode (Hg.): Deutsche Gedichte, eine Anthologie, Stuttgart, Reclam 2010, S. 256.

Dinner for one oder die ganze Familie

Lektüretipp im "lessico famigliare"

Einladung zu einem italienischen Abend, von Thomas Bremer

Thomas Bremer nimmt seine Leser in seinem Aufsatz „Vom Brot der frühen Jahre zur Küche der Jahrtausendwende. Über das Essen im italienischen Film und seine Rezepte“ mit auf eine kulinarische Reise durch die italienische Filmlandschaft. Die Zusammenstellung von Filmerinnerungen und Kochrezepten ist nicht nur sehr originell, sondern zugleich die Kreation lauter unterhaltsamer und leckerer italienischer Abende: ein italienisches Essen, ein italienischer Film, ein gutes Glas Wein – was will man mehr an einem kalten Winterabend, wenn die Sehnsucht nach Italien auf hundert Prozent ansteigt. Das Angebot reicht von der Primi piatti über Secondi bis zum Dessert, von Fisch und Fleisch zu vegetarischer Pasta und süßen Klassikern. Sie denken an Panna cotta und Tiramisu? Weit gefehlt. Die Tipps sind keineswegs völlig gewöhnlich und verstehen sich nicht als ein Abschlag italienischer Küche in Deutschland oder gar ein „Best of“ der italienischen Gerichte unter den Deutschen. Neben Informationen zu Inhalten, Wirkungen und Besonderheiten der Filme sowie genauen Hinweisen zur Zubereitung erfährt man auch etwas über die Bedeutung der Speisen, z.B. der „zuppa inglese“, die es überall in Italien, aber nirgends in Deutschland gibt. Präsentiert werden also Speisen, die typisch italienisch sind, aber in Deutschland seltener verzehrt werden. Das zugleich präsentierte Filmprogramm versammelt Filme von Mario Bonnard, Federico Fellini, Luchino Visconti, Ettore Scola, Silvio Soldini und Robert Bengini, Filme also des italienischen Neorealismus aus den vierziger und sechziger Jahren ebenso wie Filme der achtziger und neunziger Jahre. Neben berühmten Filmen wie La dolce vita(Fellini) kommen auch weniger beachtete Filme wie La cena (Scola) zum Zug. Es gibt folglich eine Menge zu genießen und zu entdecken. Und dabei ist die Mahlzeit weder im Film noch in unserem Leben nur eine beiläufige Erscheinung des Alltags, die dazu dient, den Hunger zu stillen oder den Kreislauf in Schwung zu halten. Vielmehr übernehmen Mahlzeiten wichtige Aufgaben: Eine Mahlzeit organisiert Gespräche, ist selbst Gesprächsthema (heute mehr denn je), sie bildet Gemeinschaften, überwindet soziale Unterschiede, offenbart Vorlieben und Interessen, schafft Familienleben, sorgt für Entspannung und Unterhaltung – kurz sie dient sozialen Beschreibungen und kulturellen Erfahrungen – im Leben wie im Film.
Ein paar Anmerkungen zur Forschungsliteratur rahmen diesen Ausflug in Kino und Küche Italiens ein. Es kommt auch in dieser Hinsicht jeder auf seine Kosten: der flüchtige Leser, der Genießer, der Filminteressierte, der Italienliebhaber wie der Bildungsreisende oder Italienforscher; nicht zu vergessen der Blogger, der sich mit dem Internet angefreundet hat und von Thomas Bremer dankbar einige sehr nützlich Hinweise auf verschiedene Websites bekommt, die noch mehr von der italienischen Küche vermitteln und zum Teil Quelle der Rezeptausführungen sind.
Absolut zu empfehlen daher Thomas Bremer: „Vom Brot der frühen Jahre zur Küche der Jahrtausendwende. Über das Essen im italienischen Film und seine Rezepte“. In: Zibaldone. Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart, Nr. 37, 2004: Schwerpunkt Film in Italien, S. 63-78.
Guten Appetit und viel Vergnügen!

 

 

Folge 1: Albert Ostermaier trifft…: Gedichte zu Fotografien von Pietro Donzelli

Albert Ostermaier: Wer sehen will, Gedichte, Frankfurt am Main: Insel Verlag 2008.

Dieser Band (Nr. 1310) aus der Inselbibliothek besticht durch das Zusammenspiel von Poesie und Fotografie. Der 1967 in München geborene Roman- und Theaterautor sowie preisgekrönte Lyriker Albert Ostermaier (u.a. Ernst-Toller-Preis 1997, Kleist-Preis 2003, 2011 Welt-Literaturpreis) präsentiert darin vierundzwanzig Gedichte zu ebenso vielen Fotografien des italienischen Fotografen Pietro Donzelli. Der Suhrkamp-Insel Autor Ostermaier wendet sich in seinem achten Gedichtband nicht zum ersten Mal dem Austausch mit einem anderen Medium zu. In seinen früheren Gedichtbänden Autokino (2001) und Polar (2006) setzte er sich mit dem Film auseinander, dem amerikanischen Roadmovie einerseits und dem französischen Autorenkino der sechziger und siebziger Jahre andererseits. In Wer sehen will knüpft er nun über die Fotografien Donzellis aus dem Werkkomplex „Land ohne Schatten“ an den italienischen Neorealismus an. Ein Land ohne Schatten zeichnen allerdings weder die Auswahl dieser Fotografien noch die Liebesgedichte Ostermaiers nach. Im Gegenteil, gerade der Kontrast von Licht und Schatten bestimmt einige Fotografien und Gedichte, die zu „insel[n] aus schattensand“ (strandschläfer) werden. Entlang von Licht und Schatten werden Erfahrungen der Fremdheit und Anpassung, des Andersseins und Gleichseins, des Erscheinens und Verbergens des Selbst geschildert, finden Entgrenzungen der Realitätswahrnehmung statt, die in das Gefühl von Einsamkeit, Verlassensein oder auch des Abschieds umschlagen. So werden die Fensterausschnitte, Zimmer, Straßenecken, Mauern und Landschaften der Fotografien zu Allegorien dieser poetischen Erfahrungen, die immer auch anders sein könnten und doch so unmittelbar vom Sichtbaren sich entfalten, dass man am Ende nicht weiß, was zuerst da war, das Gedicht oder das Foto. Dabei verfällt jedoch weder das Foto, noch das Gedicht in die Illustration, weil offene Stellen bleiben, Unbeschriebenes, Zonen des Unentschiedenen, die in den Fotografien Donzellis selbst entstehen, z.B. durch Blicksituationen, in denen die Figuren sich nie untereinander und auch nie den Betrachter ansehen oder durch den Umschlag vom Detail zum Ornamentalen. So werden etwa die Menschen auf einer großen Straßenkreuzung von schräg oben betrachtet zu „Druckfehlern“ in einem suchbild, indem sie ein Mosaik von Augenblicken, Gesten, Gedankenfetzen, Dingen und Bewegungen bilden. Die Zonen des Unentschiedenen rufen die Gedichte über die Erinnerung des im Bild Abwesenden hervor, so etwa die Erinnerung an „die zärtlichkeit des grases unter seinen nackten sohlen“ (via santo spirito), während der Mann auf dem Foto über Steingeröll läuft. Zwischen dem nicht vergessen können und unbedingt erinnern wollen entstehen mannigfaltige Assoziationsräume, die alle durch die gleiche Zeiterfahrung aufeinander bezogen werden können: Dauer. Die Dauer, die es braucht, um einen Brief zu lesen (brief eines nachmittags – ist es überhaupt ein Brief der zu sehen ist), die Dauer, die die Figuren an einen Türrahmen gelehnt er-warten wird aufgefüllt mit Erinnerungsströmen, Gedankenbilder und Gefühlswelten, der Figuren und der Leser. Im Zentrum der Erinnerungen steht dabei die Liebe, die vergangene, verlorene, enttäuschte und ersehnte Liebe, ihre Unverständlichkeit, der sich das lyrische Ich hingibt und ausliefert und die getragen ist von der Sehnsucht eines kinogängers zum Beispiel:

(…)

als wir auseinandergingen der film
riss und zwei enden sich suchten
für einen anfang seitdem warte ich
dass du wiederkommst und unsere
lippen die enden zueinander fügen
wenn das licht ausgeht und die
tonspur mit dem schlagen unserer
herzen beginnt

Die Liebe und die Begegnungen des lyrischen Ich zerreißen an der Kluft zwischen nah und fern, gestern und morgen, innen und außen wie „Spiegelscherben seiner Herzwände“ (spiegelverkehrt). In Schwellenmomenten changieren die Texte und Bilder zwischen dem eben erst vorbei und dem gerade noch nicht. Sie prägen ein Gefühl von Zeitlosigkeit kurz vor dem Einbruch der Realität und mit ihr der Zeit. Das Geheimnis dieser Texte bleibt daher die Dauer in ihrem Spannungsverhältnis zum Augenblick: „hier vergehen die jahre an einem nachmittag“ (tagträumer). Der Grundton, den die Erinnerungen anschlagen ist die Melancholie, zuweilen sogar Verbitterung: „der bittere akkord der erinnerung“ (stundengläser), die „falten der erinnerung, in die sie fällt“ (hören und sehen) und „wie knoten der erinnerung“ (spiegelverkehrt). Die schattenhaften Erinnerungen lassen an der Magie des Lichts, dem Glanz des Glases oder den Händen der Schaufensterpuppen, die sich nach der Frau zu recken scheinen, die mit einer transparenten Büste surreal verschmilzt (notte) wie zwischen Traum und Wirklichkeit nur wenig positives, wenig verheißungsvolles, wenig zukünftiges was Donzellis Fotografien aber auch fühlen lassen. Diese Empfindungen sind wie schmerzliche Wunden an den „brandflächen des glücks“ (tagträumer). Die „ornamente des lebendigseins“ (strand im winter), die unglaubliche Dichte dieser Poesie wird durch das interpunktionslose Schreiben, das keine Rücksicht auf Groß- und Kleinschreibung nimmt noch gesteigert und gibt eine Vielzahl von Perspektiven frei, sowohl in den Texten als auch auf die Texte. So empfiehlt es sich für die Lektüre nicht nur Text und Bild zusammenzulesen, sondern auch einmal nur den Text und nur das Bild in Betracht zu ziehen und den eigenen Assoziationen und Bildern freien Lauf zu lassen, um erneut die Zonen des Unentschiedenen zu begehen. Vielleicht liegt gerade darin das Potential der intermedialen Zusammenschau, die mehr als nur einen realen und imaginären Raum erschafft und so für jeden den Weg zum azzuro dieser wunderbaren, dichten und spannenden Texte und Bilder freilegt, denn

(…) jedem
gehört sein stück doch der
himmel gehört uns im ganzen
wenn wir miteinander tanzen

(azzuro). Wer sehen will, der sehe!

 


Stunde Null: »Ein Buch und eine Meinung«

Rubrikbeschreibung "Ein Buch und eine Meinung"

»Ein Buch und eine Meinung« ist ursprünglich der Titel einer Sendereihe gewesen, die der Autor Alfred Andersch (1914-1980) als Pendant zum Radio-Essay, den er beim Süddeutschen Rundfunk leitete, Mitte der fünfziger Jahre (1955/56) konzipierte. Die Sendung bot eine Reihe von langen, sich dem Essay annähernde Buchrezensionen. Es entstanden insgesamt knapp 800 Besprechungen, die von dem Schriftsteller und Literaturkritiker Helmut Heißenbüttel (1921-1996) bis 1976 herausgegeben wurden. Jede einzelne Sendung umfasste eine Viertelstunde.

Auf Italienreport möchte ich in Anlehnung an diese Reihe regelmäßig Buchbesprechungen präsentieren, »ein Buch und eine Meinung«, die nicht nur zum Lesen, womöglich auch Hören und Sehen anregen wollen, sondern auch alle einlädt, sich eine eigene Meinung zu bilden. Dabei geht es um Bücher, die einen Italienbezug haben, sei es thematisch, biographisch oder kulturell, von italienischen oder deutschen Autoren.

Nachgefragt: »Conversazione a …«

Geschichte der Rubrik "Conversazione a..."

Diese Rubrik habe ich in Anspielung auf den Roman Conversazione in Sicilia (Gespräch in Sizilien) des italienischen Schriftstellers Elio Vittorini (1908-1966) »Conversazione a …« genannt. Vittorini war das italienische Pendant zum deutschen Schriftsteller Alfred Andersch (siehe die Rubrik »Ein Buch und eine Meinung«). Da die Orte, an denen die Konversationen dieser Rubrik stattfinden, in der Regel Städte sind (und nicht Inseln oder Länder), habe ich der grammatikalischen Korrektheit wegen aus »Conversazion in« den Titel »Conversazione gemacht.

Vittorini und Andersch kannten sich gut, waren miteinander befreundet, lasen sich gegenseitig, diskutierten und inspirierten sich. Beide waren Schriftsteller, Publizisten, Herausgeber (Vittorini war Herausgeber von Il Politecnico, Andersch von Der Ruf), beide waren Intellektuelle, Engagierte, Reisende. Alfred Andersch und Elio Vittorini sind wichtige Figuren der deutsch-italienischen Literatur- und Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert, die sicher auch Teil des ein oder anderen Beitrags sein werden. Die Rubrik »Conversazione a …« versteht sich allerdings als ein offenes Forum, in dem viele Stimmen zu Wort kommen sollen, zu aktuellen Themen und kulturellen Ereignissen, die die deutsch-italienischen Literatur- und Kulturbeziehungen gestalten. In dieser Rubrik möchte ich Fragen stellen und diskutieren, Personen und Biographien vorstellen und Nachrichten von gestern und morgen verbreiten. Bisher erschienen sind:

***
Questa rubrica si chiama »Conversazione a …«. Il nome è un’allusione al romanzo »Conversazione in…« di Elio Vittorini (1908-1966), che era il pendant di Alfred Andersch (vedi la rubrica »Ein Buch und eine Meinung«). I luoghi, dove i conversazioni  di questa rubrica succedono sono normalmente diverse città (e non isole o paese) perché ho scelto per essere grammaticalmente coretto »Conversazione a …« invece di »Conversazione in …«
Vittorini e Andersch si conoscevano bene, erano amici, si leggevano l’un l’altra, discutevano e si ispiravano. Tutte due erano autori, publicisti, editori (Vittorini era l’editore di »Il Politecnico«, Andersch di »Der Ruf«), tutte due erano intelletuali impegnati e viaggiatori. Alfred Andersch e Elio Vittorini sono figure molto importanti per le relazioni tedeschi-italiani al livello culturale e letterario nel ventesimo secolo. La rubrica »Conversazione a …« si considera di un foro aperto in cui tanti voci hanno la parola per temi attuali ed eventi culturali che formano le relazioni bilaterali. In questa rubrica vorrei discutere, fare le domande, presentare le persone e le biografie, finalmente diffondere le notizie del paese di ieri e di domani.

Folgen 1-10

Rubrikbeschreibung Conversazione a...

Folge 6: Conversazione a Napoli oder Wo bist Du? Ich bin da, das ist irgendwo. Ein Leben für viele, aber keins für sich. Roberto Saviano

Folge 5: Conversazione a Francoforte: Frankfurter Buchmesse 2015, Langstreckenlauf am letzten Messetag

Folge 4: Conversazione a Colonia: Alles begann in Köln: Italienische Kulturinstitute in Deutschland. Einblicke in die Geschichte einer Institution 

Folge 3: Conversazione a Venezia/Venedig – Mythos und Wirklichkeit, Darstellungen der Lagunenstadt in der deutschen Literatur 

Folge 2.2. – Conversazione a Torino: wer wie was – deutsche Berichterstattung zur Turiner Buchmesse Salone Internazionale del Libro 2015 

Folge 2.1. – Conversazione a Torino: Deutschland, deine Dichter! Der Salone Internazionale del Libro hat Deutschland eingeladen 

Folge 1 – Conversazione a Roma oder Wer war eigentlich Franca Magnani? Franca Magnani: Mein Italien, Köln: Kiepenheuer & Witsch 2013