Aus dem Lessico Famigliare
Der Mafia-Thriller Das Land der Heiligen besticht durch seine besondere und ungewohnte Perspektive, nämlich die Sicht der Frauen in der Mafia-Szene Kalabriens, wo die ‘Ndrangheta herrschen. Die Ehefrau Caterina des untergetauchten Bosses Alfredo hat ihren Sohn Pasquale für die Führung des Mafia-Clans erzogen. Auch ihre jüngere Schwester Assunta, die im Bandenkrieg ihren Ehemann verloren hat, sieht ihren Sohn Giuseppe auf dem besten Wege in die Mafia-Szene. Die Staatsanwältin Vittoria aus Norditalien dringt in diesen Mafia-Clan ein und bricht das Schweigen der Frauen. Damit rüttelt sie kräftig an der patriarchalen Struktur der Mafia, die wesentlicher Teil ihres Erfolges ist. Indem Frauen und Müttern die Augen geöffnet werden und ihr Horizont über die Grenzen des Mafia-Clans hinaus ausgeweitet wird, mobilisiert Vittoria die stärkste Waffe gegen die ‘Ndrangheta, die das »Land der Heiligen« kriminalisiert haben. Den Frauen der Mafiosi fehlt der Vergleich, fehlt die Kenntnis einer anderen Welt als der der Mafia. Erst als sie über sich und ihre Welt zu sprechen beginnen, gelingt es ihnen aus der kriminellen Isolation auszubrechen.
Der Film basiert auf dem Buch Il cielo a metà (2014) von Monia Zapelli, mit der Muraca zusammen das Drehbuch seines Films geschrieben hat. Nicht nur die außergewöhnliche Perspektive des Films, auch sein gesamtes Setting bricht mit gängigen Klischees der Mafia. Hier geht es nicht um Schnurrbärte und schwarze Anzüge, Action und Verfolgung. Hier geht es um das ganz normale Leben, eine durchstrukturierte und mächtige Welt inmitten der gegenwärtigen Welt eines jeden, für den diese Welten zumindest an der Oberfläche kaum voneinander unterscheidbar sind.
Fernando Muraca ist das erste Mal im Jahr 2000 mit seinem Kurzfilm Ti Porto Dentro in Erscheinung getreten. Es folgten Backstage »Madre Teresa di Calcutta« (2003) und sein erster Langspielfilm Nel cuore il mondo (2004). Der Kurzfilm ließ ihn allerdings nicht los, sodass 2006 Ti voglio bene Assai erschien, 2007 folgten fünf weitere Kurzfilme und 2008 schließlich wieder ein Langspielfilm, È Tempo di Cambiare. Lange ließ Muraca seine Zuschauer warten bis im März dieses Jahres La terra die santi/Das Land der Heiligen erschien. Muraca studierte an der Universität La Sapienza in Rom Filmgeschichte und begann nach seinem Examen 1992 als Regisseur und Theaterschriftsteller zu wirken. Er arbeitete fürs Fernsehen, leitete u. a. die Serie Indietro nel tempo, die vielfach ausgezeichnet wurde.
Ohne die Unterstützung der Filmkommission der Region Puglia hätte dieser Film nicht realisiert werden können, der von der Filmförderung Kalabriens gewissermaßen ignoriert worden war.