Wie viel Italienerin kann in einer Deutschen stecken? Über Petra Reskis »All’Italiana«

Wie Petra Reski versuchte Italienerin zu werden und was sie auf ihrem Weg über Italien gelernt hat

Wie viel Itaienerin kann in einer Deutschen stecken? Diese Frage habe ich mir auch schon einmal gestellt. Als ich 2014 das Magazin Italienreport ins Leben rief, war ich noch immer erfüllt von meinen Erlebnissen und Erfahrungen, die ich wenige Jahre zuvor in einem Auslandsjahr in Salerno (Kampanien) gemacht hatte. Schon in der Schulzeit hatte meine Italienliebe begonnen, über die Kunstgeschichte, über Reisen und Sprachkurse. In meinem Auslandsjahr eroberte ich nicht nur eines der schönsten Länder neu, sondern erfuhr auch ausschnitthaft, wie es ist, wenn man Ausländerin in diesem wunderbaren Land ist und Gefühle für seine Heimat wiederentdeckt.

Meine Liebe zu Italien ist ungebrochen. Immer noch träume ich davon, noch einmal und dieses Mal ein paar Jahre länger in Italien zu leben. Damals ging meine Italienliebe so weit, dass ich mich selbst gern – mit einem zwinkernden Auge selbstverständlich – als eine Viertelitalienerin beschrieb, weil ich die Sprache recht schnell und auf einem ganz guten Niveau erlernte, weil ich das italienische Leben tief in mich einsog und weil ich wusste, dass ich nur nach Deutschland zurückgehen würde, um eines Tages nach Italien zurückzukehren.

Halbitalienerin, das hätte mir gefallen, aber das erschien mir dann doch zu anmaßend, lebte ich dafür zu kurz in Italien und hätte es dafür wohl einen italienischen Elternteil gebraucht, dachte ich. Immerhin wusste ich, dass auch mein Großvater väterlicherseits Italien liebte und sich mit seinen Italienischkenntnissen für die Berliner Staatsoper verdient gemacht hatte, was ihn sicher durch die Zeit des Zweiten Weltkriegs brachte. Aber genügt all das, um zumindest im Herzen ein wenig Italienerin zu sein? Auf die Frage, ob ich mir vorstellen könnte, nach Italien auszuwandern, hab ich bis heute keine Antwort gefunden.

Anders Petra Reski. Sie lebt seit 1989 in Italien und hat in Venedig einen italienischen Unternehmer geheiratet. In einem kurzen Interview in ihrem Instagram-Account beantwortet sie die Frage, ob sie sich mehr wie eine Italienerin oder mehr wie eine Deutsche fühle: »Ich fühle mich wie eine Venezianerin.« Und zwar auch deshalb, weil es nur noch so wenige gibt und man schließlich zusammenhalten müsse. Venedig ist heute mehr von Touristen als von Einheimischen bevölkert. Petra Reski setzt sich seit Jahren für diese kunstvolle, aber auch verletzliche Stadt ein, in die Tausende von Menschen Woche für Woche von gigantischen Kreuzfahrtschiffen geschwemmt werden. Wer Petra Reski, die seit Jahrzehnten Bücher schreibt, ein wenig kennt, weiß, dass sie keine Schnulzen erzählt.

»Dabei enthalten die 300 Seiten Sprengstoff. Das ist typisch für Petra Reski, Investigativ-Journalistin und Bestseller-Autorin. Die wortgewandte Schreiberin hüllt die krassesten Tatbestände gern in einen sacht ironischen Plauderton«, schreibt die Süddeutsche Zeitung über Reskis neues Buch. Und damit liegt sie richtig, nur ist Petra Reski mehr als eine »wortgewandte Schreiberin«. Sie ist Schriftstellerin. Das kann man mit Fug und Recht über die preisgekrönte Journalistin und Autorin behaupten. Über Stil und Form lässt sich freilich – wie immer – streiten.

Mit All‘Italiana hat Petra Reski ein politisches Sachbuch geschrieben, das unterhaltsam und provokativ zugleich ist. Der Stil ist locker und lebendig. Gönnen wir uns eine kleine Kostprobe:

Wenn ich nachmittags nicht gerade mit der Vespa durch Lavendelfelder, Olivenhaine und Weinberge fahre, gehe ich mit meinen Verbtabellen an den Strand, um mich von den Tücken der italienischen Grammatik zu erholen. Der parzellierte und beharkte Strand ist eine teure Angelegenheit, aber der Bademeister hat ein Herz für mittellose deutsche Sprachschülerinnen und schenkt mir immer einen Liegestuhl.
Und in diesem Liegestuhl stelle ich zu meiner Überraschung fest, dass die Italiener am Strand nicht über das beste Sonnenöl, sondern über das System der illegalen Parteienfinanzierung von Sozialisten und Christdemokraten reden, über Amtsmissbrauch und Bestechungsgelder, über Mafiaverwicklungen und Mordkomplotte.

Wir folgen Petra Reski chronologisch von ihrer Annäherung an Italien bis zu ihrer Verwandlung in eine Venezianerin und italienische Staatsbürgerin. Dabei nimmt sie ihre Leser:innen tief in die italienische Gesellschaft mit hinein und zeigt uns gleichermaßen die Schönheiten, Eigenarten und Bruchstellen des italienischen Lebens. Sie nimmt uns nicht nur mit an den Strand und in Olivenhaine, sondern auch in Gerichtssäle, Gefängnisse, Petrochemieanlagen, antike Ruinen, in Eisenbahnabteile, Sakristeien und natürlich an die Esstische, schließlich sind diese für viele Deutsche der Türöffner zu diesem Land.

Forschergeist und Erkundungsfreude sind das eine, Identifikation und Zugehörigkeit zu einem Land eine andere Herausforderung. Das zeigt sich bereits in der Schwierigkeit, in zwei verschiedenen Sprachen dieselbe Idee von Heimat zum Ausdruck zu bringen. Und so stellt Petra Reski in ihrem Buch unter anderen die Frage: Wie deutsch bin ich eigentlich? In All’Italiana erzählt sie:

Auch jetzt schaffe ich es nicht, das Wort Heimat ins Italienische zu übersetzen: Patria passt nicht, weil ein Vaterland etwas anderes ist, und paese d’origine, Ursprungsland, klingt zu bürokratisch.
La terra della tua famiglia, schlägt mir der Italiener vor. Ich zucke zusammen, sage: No, no, no, terra no!, und versuche zu erklären, dass das Wort »Erde« in Verbindung mit dem Wort »Heimat« bei Deutschen sofort die schrecklichsten Assoziationen hervorruft.
Aber wie kann dir das Wort Heimat unangenehm sein?, fragt der Venezianer, als wir uns kurz vor dem Grenzübergang Helmstedt/Marienborn befinden.
Es ist kompliziert, sage ich.
Und während ich dem Italiener mein Verhältnis zu Deutschland samt meiner vielschichtigen Familiengeschichte darzulegen beginne, betrachtet er etwas verstört die Landschaft, die hier im Wesentlichen aus Kontrollbaracken, Wachtürmen, Grenz- und Sperrzäunen besteht, aus Stacheldraht und Abfertigungshallen, aus Anzeigetafeln.

Petra Reski musste kurz nach dem Mauerfall sofort nach Berlin reisen. Wie sehr man ein Land auch liebt, ganz gleich, wie lange schon, was in der eigenen Heimat – dem Land der Herkunft – passiert, lässt einen nicht kalt. Es holt einen zurück, zumindest kurz.

© Paul Schirnhofer

Doch wie wird man über den Alltag in einem Land hinaus zu einer Italienerin, welche Erfahrungen sind es, die eine Deutsche näher an Italien rücken lässt als es ihre familiäre Verbundenheit und Herkunft nahelegen würden? Sicher ist, diese Erfahrungen sind individuell. Petra Reski ist den Deutschen vor allem für ihren Kampf gegen die italienische Mafia und ihre weit verzweigten Strukturen in Deutschland bekannt. Paradoxerweise erlebte sie in Italien mehr Solidarität dafür als in Deutschland. Im Jahr 2008 wurde sie auf einer Lesung in Erfurt und später in einer Verhandlung am Oberlandesgericht München bedroht, was von der Richterin nicht einmal richtig zur Kenntnis genommen wurde.

Beppe Grillo ist der Erste, der mit seinem Blog in Italien darauf aufmerksam macht, dass mein Buch über die Mafia in Deutschland nur mit richterlich erzwungenen geschwärzten Passagen verbreitet werden darf, die von der italienischen Presse bereits hinlänglich dokumentierte Inhalte betreffen – ohne dass es ein juristisches Nachspiel gab. Daraufhin werden nicht nur die Medien auf mein Buch aufmerksam, sondern auch die italienischen Verlage: Das Buch erscheint unter dem Titel Santa Mafia – was mir sogleich eine Klageandrohung von Marcello Dell’Utri einbringt, Berlusconis sizilianischem Freund und Begründer von Forza Italia. Als dies die Berlusconi-Postille Libero verbreitet, rufen mich viele ebenfalls von Dell’Utri verklagte italienische Journalisten an, um mir ihre Solidarität zu bekunden. Der Erste, der mich anruft, ist Beppe Grillo. Er sagt: Willkommen im Club.
Nachdem Grillo in seinem Blog über mich und die Geschichte meines Mafiabuchs berichtet hat, bekomme ich unzählige Mails und Nachrichten von Italienern, die mich alle zu meinem Engagement beglückwünschen. Sie haben mein Anliegen verstanden: den Deutschen klarzumachen, dass sich die Mafia nicht in irgendwelchen rückständigen süditalienischen Dörfern versteckt und auch kein ausschließlich italienisches Problem ist, sondern ein europäisches.
Ich empfinde diese Anteilnahme, als würde ich von einer überdimensionalen Familie verteidigt werden. Die Solidaritätswelle tröstet mich in den Augenblicken, in denen ich mich in Deutschland alleingelassen fühle: Meine Journalistenkollegen halten sich bis auf wenige Freunde auffallend zurück, weil sie sich unter einer Mafiadrohung im Grunde nur den abgeschnittenen Pferdekopf vorstellen können.

Es braucht mehr als einzelne Erfahrungen, um eine zweite Staatsbürgerschaft anzunehmen. Petra Reski wirft in zahlreichen Szenen und Episoden einen realistischen Blick darauf, dass dieser Weg mit einer Menge Reibungen – mit Menschen, mit der Bürokratie und vielen anderen Dingen – nicht nur in Deutschland, sondern genauso in Italien einhergeht. Reibungen, Hürden und Risiken, die auch über die Jahre nicht aufhören, nur weil man sich für ein Land, eine Stadt entscheidet. Die Reaktionen auf die Ereignisse und ihre Folgen in Erfurt zeigen jedoch anschaulich, dass wir mit einem Land Identifikation aufbauen, wenn wir auf Resonanz, auf Sichtbarkeit, echtes Verständnis und Solidarität stoßen.

Petra Reskis Buch ist nicht nur für Italienliebhaber wie mich interessant, die ein paar eher romantischen Träumen nachhängen. Die Erfahrungen, von denen sie erzählt, spiegeln uns auch, was die deutsche Gesellschaft so oft viel zu wenig in den Blick nimmt, wenn sie sich über misslingende oder gelingende Integration den Kopf zerbricht. Und so hat Petra Reskis Buch auch deshalb so viel Sprengkraft, weil sich zwischen den Zeilen nicht nur ein Abbild Italiens entfaltet, sondern es uns auch einen Spiegel vorhält, der unsere Zerrbilder von dem Weg und Erleben eines Einwanderers reflektiert. Niemand verkörpert dabei so selbstverständlich wie Petra Reski zugleich das vielgestaltige Engagement, das der ersehnten Resonanz vorausgeht. Petra Reski würde aber nie beschönigen, wo die Grenzen dieser Resonanz liegen.

Wer Petra Reski liest, kann darauf vertrauen, keinen Traumbildern aufzusitzen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Das macht ihre Bücher einerseits so schonungslos, andererseits verlieren sie dabei nie den Charme, den Witz und die Leichtigkeit, mit der das Leben hier wie dort zu entdecken ist. Und das macht die Lektüre von All’Italiana, Wie ich versuchte, Italienerin zu werden, aber auch ihres vorherigen Buches Als ich einmal in den Canal Grande fiel, Vom Leben in Venedig so sympathisch.

Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Und wir alle wissen, die italienische Küche ist in Sachen Liebe besonders gut. Viele Deutsche scheinen heute vergessen zu haben, dass die italienische Küche nicht nur aus Pasta und Pizza besteht, aber das ist nicht so wichtig. Wichtiger ist am Ende das Verständnis für die Qualitäten der Zutaten, egal in welcher Variante sie auf den Tisch kommen. Gönnen wir uns daher noch eine weitere Kostprobe und werden dieses Mal konkret:

Der Tomaten verabscheuende Italiener an meiner Seite ist ein Theoretiker der Tomatensauce, er toleriert den Geruch von Tomatensauce allein aus Liebe zu mir, weiß aber dennoch genau, wie eine gute Tomatensauce beschaffen sein muss. Er bewertet sie wie ein Preisrichter beim Eiskunstlauf die Todesspirale. Zu den Kriterien gehört die Beschaffenheit, ob sie zu wässrig ist oder zu kompakt, oder dass der Soffritto, die Basis der Tomatensauce, aus Selleriestangen und Karotten bestehen muss und keine Zwiebeln enthalten darf, weil Lauchgewächse komplett unverdaulich sind, außer man ist deutsch und verfügt über einen Straußenmagen, der bekanntlich auch Steine verdaut. Falls Sie das nicht glauben, googeln Sie mal »Straußenmagen«, dann wissen Sie, dass Strauße keine Zähne haben und die Steine dem Strauß dabei helfen, die Nahrung im Magen zu zerkleinern.
Anfangs, als ich noch sehr deutsch war, wurde auch mir ein Straußenmagen nachgesagt, nur weil ich einmal in Frankreich Zwiebelsuppe gegessen hatte, worin der Italiener an meiner Seite den Beweis für einen latenten Hang zu Perversion sah. Aber inzwischen bin ich italienisch verweichlicht und verdaue keine Zwiebeln mehr. Überhaupt die Verdauung. Bei Tisch sollen wir nicht über Politik reden, aber über die Verdauung zu reden ist kein Problem. Wenn man erlebt, mit welcher Inbrunst Italiener bei Tisch darüber reden, was als digeribile und als nondigeribile gilt, könnte man meinen, man säße nicht bei Tisch, sondern beim Gastroenterologen.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in meiner italienischen WG so etwas wie Spaghetti Bolognese kochte. Meine Mitbewohnerinnen identifizierten es irgendwo in der Nähe von Sugo Ragù die Carne und eine von beiden zeigte mir Tage später in liebevoller stundenlanger Arbeit, wie man Pasta selbst macht und Bolognese zu kochen beginnt, noch bevor das Fleisch in der Pfanne landet. Nun wusste ich zumindest, was es bedeutete, Bolognese zu kochen und war insgeheim froh, dass ich es wenigstens geschafft hatte, schon nach kurzer Zeit mein deutsches Abendbrot gegen l‘ insalata e un po‘ di pesce einzutauschen, und zwar nicht um 19 Uhr, sondern um 21 Uhr. Die Italienliebe ging also auch durch meinen Magen – unvergesslich.

Italienische Staatsbürgerin bin ich nicht geworden, im Herzen noch immer eine Viertelitalienerin, aber wie hat es nun Petra Reski, die inzwischen über dreißig Jahre in Italien lebt, geschafft, Italienerin zu werden? Mit einem neuen Zeitgefühl, denn es hat Jahre gedauert – das fordert deutsche Geduld oder italienische Gelassenheit. Deutsche Leser:innen werden einerseits staunen, weil die Formalitäten auf dem Weg zur italienische Staatsbürgerschaft digitaler von statten gehen, als wir das aus »good old germany« kennen, und sie werden sich auch ein wenig verstanden fühlen, weil nicht nur Deutschland ein Bürokratie-Dschungel ist:

Es dauert keine zwei Tage, da erreicht mich eine Antwort vom Helpdesk, das mir erklärt, warum mein Vorgang vorhanden und doch nicht da ist: »Sehr geehrter Benutzer, in unseren Systemen lautet Ihr Nachname ohne Bindestrich, während er in Ihren Dokumenten mit Bindestrich lautet. Um Ihre persönlichen Daten abzugleichen, müssen Sie der zuständigen Präfektur die beigefügte, ordnungsgemäß ausgefüllte und unterzeichnete Selbstzertifizierung zusenden.«
Fassungslos starre ich auf die Zeilen in meinem Computer. Sollte mein jahrelanges erbittertes Ringen um die italienische Staatsangehörigkeit wegen eines Bindestrichs fehlgeschlagen sein?
Aus romantischen Gründen trage ich seit meiner Eheschließung einen Doppelnamen mit Bindestrich. Und obwohl dieser Bindestrich auch in allen meinen italienischen Dokumenten von der Gesundheitskarte bis hin zum Personalausweis ordnungsgemäß eingetragen ist, hat ihn das Innenministerium gestrichen. Einfach so.
Man fasst es nicht, sage ich dem Italiener: Für das italienische Innenministerium existiere ich nicht, weil ich einen Bindestrich im Namen führe.
Er zuckt mit den Schultern und findet das völlig einleuchtend: Ja klar, in Italien gibt es keine Doppelnamen mit Bindestrich.
Und das schockiert mich am meisten: dass er diesen ganzen Irrsinn auch noch für normal hält.
Aber vielleicht gibt es auch noch eine Welt außerhalb Italiens, in der ein Bindestrich normal ist, sage ich. Schließlich habe ich von einem Schicksalsgenossen gelesen, einem in Frankreich lebenden Italiener, dessen Tochter der italienische Pass mit Bindestrich im Doppelnamen verweigert wurde. Der Mann hat nicht kapituliert, sondern am Verwaltungsgericht geklagt. Und gewonnen. Die Kosten des Verfahrens musste er allerdings übernehmen, weil die aufgeworfene Rechtsfrage als eigentümlich eingestuft und eine Übernahme daher verweigert wurde.
Als ich darüber auf Facebook berichte, erhalte ich unzählige Solidaritätserklärungen von in Italien lebenden diskriminierten Bindestrichträgern, darunter deutsche Karl-Heinze, die dagegen protestieren, dass sie ihr Leben als Karlheinz oder Karl Heinz verbringen müssen, ganz zu schweigen von all denen, die mit Umlauten geschlagen sind, Hans-Jürgens, die gnadenlos in Hansjuergen oder gar Hans Jurgen verwandelt werden. Denn das Perfide an der italienischen Bürokratie ist der vollständige Mangel an Logik: Nie weiß man, wie der Name gerade uminterpretiert wird, was jeden bürokratischen Vorgang zum Hürdenlauf macht.
Nachdem ich der venezianischen Präfektur meine Selbstzertifizierung samt Ausweiskopien geschickt habe, um zu bestätigen, dass mein Name einen Bindestrich enthält, denke ich, dass die Angelegenheit damit erledigt sei. Falsche Annahme. Die Antwort lautet: »Es ist nicht möglich, dem Helpdesk die Änderung zu bestätigen, da es nicht nur bei Ihrem Doppelnamen, sondern auch bei RESKI (nur in der Geburtsurkunde vorhanden) Diskrepanzen gibt. Wenn Sie über ein Dokument verfügen, das die Änderung des Nachnamens in einen Doppelnamen mit Bindestrich rechtfertigt, senden Sie es bitte per E-Mail (Heiratsurkunde oder andere Dokumente).«
Was zum Teufel sollen das für Diskrepanzen mit meinem Namen sein? Und unnötig zu sagen, dass meine – amtlich beurkundete und übersetzte – Heiratsurkunde seit Jahren vorliegt. Sowohl in der venezianischen Präfektur als auch im italienischen Innenministerium. Aber weil es hier keinen Zweck hat, die Logik zu bemühen, beantrage ich beim Standesamt meiner Heimatstadt ein Dokument, das mir die Änderung meines Namens in einen Doppelnamen bestätigt.
Drei Monate lang passiert: nichts.
Und dann ist da eine venezianische Freundin, der ich von dem Mysterium erzähle. Und die jemanden in der Präfektur kennt und sich bereit erklärt, für das von Umberto Eco beschworene »Eingreifen einer höhergestellten Persönlichkeit« zu sorgen. Sie könne zwar nichts garantieren, aber.
Und tatsächlich geschieht das Wunder: Ich bekomme eine Mail von der venezianischen Präfektur, die mich bittet, mich im Rathaus einzufinden. Zwecks Vereidigung. Sechs Jahre nach meinem ersten Antrag darf ich Italienerin werden. Samt meinem in der italienischen Welt nicht vorgesehenen Bindestrich.

Und dann erzählt uns Petra Reski nach unzähligen Episoden und Erlebnissen noch vom Glück, das erste Mal in Italien wählen zu dürfen und als Italienerin das Ende der Ära Berlusconi zu erleben. Was dabei passiert, müsst ihr, liebe Leser:innen von Italienreport, selbst herausfinden. Ich kann euch versprechen, die Lektüre bleibt bis zur letzten Zeile so vergnüglich, wie sie begonnen hat, und ausgesprochen informativ. All’Italiana räumt auf mit Klischees und Stereotypen, aber nicht mit der Liebe zu dem Sehnsuchtsland der Deutschen schlechthin: Italien!

Petra Reski, All’Italiana, Wie ich versuchte, Italienerin zu werden, Droemer 2024

Zum Booktrailer:
www.youtube.com/watch?v=62LOi1ipeSs

Mehr über die Autorin:
www.petrareski.com


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